Ob Blockchain, Künstliche Intelligenz oder agile Software-Entwicklung: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) präsentiert sich als Vorreiterbehörde, wenn es um Digitales geht. Seine Projekte und bisherigen Ergebnisse hat das Amt in der „Digitalisierungsagenda 2020“ zusammengefasst.
Das BAMF hat sich vorgenommen, so bis 2020 zur „digitalen, atmenden Behörde“ zu werden, im Oktober 2018 bestand das Portfolio aus „115 verschiedenen Vorhaben, Projekten und Verfahren“. Das können Datenbanken zur Verwaltung von Sprachkursen sein, Digitalisierung von Schriftverkehr, aber auch komplexe Verfahren, mit denen das BAMF die Identitäten von Geflüchteten überprüfen will. Einige dieser Vorhaben lässt sich das BAMF viel Geld kosten.
4,5 Millionen Euro für eine Blockchain
Aus der Antwort auf eine Anfrage der Linken-Abgeordneten Ulla Jelpke geht hervor, dass das BAMF insgesamt 4,53 Millionen Euro einplant, um zu testen, wie sich Asylverfahren auf der Blockchain verwalten lassen. Noch befindet sich das Projekt in der Konzeptphase, im ersten Quartal 2020 soll ein Pilotbetrieb starten können. Doch davor gibt es noch datenschutzrechtliche Fragen zu klären. Allen voran: Wie löscht man Daten aus einer Struktur, die eigentlich dafür gedacht ist, dass Daten unveränderbar und dauerhaft in ihr gespeichert werden?
Mit der Blockchain will das BAMF unter anderem seine Kommunikationsprobleme beim Austausch mit anderen Stellen wie Ausländerbehörden in den Griff bekommen. Alle sollen direkt sehen können, welchen Stand das Asylverfahren eines Geflüchteten gerade hat. Momentan scheitert das oft an komplizierten Abläufen mit Telefonaten, Briefen und E-Mails. Doch um dieses Problem zu lösen, kann das Bundesamt nicht auf die Blockchain warten. Schon jetzt hat es viele Projekte auf der To-Do-Liste, darunter einen einheitlichen Scanvorgang bei eingehender Post oder elektronische Kommunikation mit Gerichten.
Ein anderes Verfahren, welches das BAMF effizienter und zuverlässiger machen soll, ist das sogenannte „Assistenzsystem für Anhörungen“. Dieses hat bereits 2,6 Millionen Euro gekostet, ist aber öffentlich kaum bekannt. Laut der Antwort des Innenministeriums auf Jelpkes Fragen soll das System Befrager unterstützen, indem es fall- oder herkunftslandspezifische Informationen und dazugehörige Fragen bereitstellt. So sollen Widersprüche der Angaben erkannt werden und gezielte Nachfragen gestellt werden können.
Die Angaben der Schutzsuchenden sollen außerdem leichter „mit den Aussagen der Herkunftsländer-Leitsätze“ abgeglichen werden können. In diesen Leitsätzen sammelt das BAMF Informationen zu den Herkunftsländern, etwa zu Konfliktregionen. Zuletzt hatte die Behörde seine Leitsätze zu Syrien geändert, denenzufolge nur noch Teile des Landes als Regionen mit bewaffneten Konflikten gelten sollen. Das führte dazu, dass die Asylentscheide syrischer Menschen zurückgestellt wurden.
Man könnte sich den Ablauf folgendermaßen vorstellen: Ein Antragsteller berichtet in seiner Anhörung, aus Erbil im Irak zu kommen, der Hauptstadt der kurdischen Autonomieregion, und vor der Verfolgung durch den sogenannten Islamischen Staat geflohen zu sein. Ein System könnte dann dem Anhörer nähere Informationen zu Konflikten in der Stadt präsentieren, nach denen er fragen könnte: Wann genau kam es zu Angriffen? In welchen Teilen der Stadt? Oder vielleicht auch: Gab es in deinem Stadtteil Schuluniformen und welche Farbe hatten sie?
Fünf Millionen Euro für einen Anhörungsassistenten
Die Basis-Pilotierung des Anhörungsassistenten sei im Oktober 2018 beendet worden, heißt es in der Antwort an Jelpke. Wie es damit weitergeht, werde derzeit entschieden. Zehn Mitarbeiter seien BAMF-intern mit dem Projekt beschäftigt, die Behörde rechnet mit weiteren Ausgaben von 2,5 Millionen Euro. Zusammen mit den bereits angefallenen Kosten würde das System demnach über fünf Millionen Euro teuer werden.
Zum Einsatz kommt dabei die Software „Oracle Policy Automation“. Das System des US-Herstellers dient dazu, Prozesse und Regeln formalisiert abzubilden. Oracle empfiehlt, das System beispielsweise zur Beitragsbestimmung von Versicherungen oder bei der Bestimmung von Visa-Vergaben einzusetzen. Also in Bereichen, in denen über strukturierte Abfragen oder Interviews Entscheidungen getroffen werden.
Viele Berater verderben den Brei?
Die Projekte, zu denen Jelpke die Bundesregierung befragte, stemmt das BAMF nicht allein. Es beauftragt auch externe Dienstleister: Den IT-Dienstleister Atos, das Fraunhofer-Institut für angewandte Informationstechnik, T-Systems Multimedia Solutions sowie die Beraterunternehmen Capgemini, KPMG und Sopra Steria. Aus Datenschutzgründen und um die Geschäftsgeheimnisse der Partner zu bewahren, will die Behörde keine Aussagen dazu machen, wer an welchem Projekt beteiligt ist.
Dabei machen viele der Unternehmen und Institute dazu selbst Angaben: T-Systems Multimedia Solutions und das Fraunhofer-Institut kooperieren mit dem BAMF bei seinem Blockchain-Projekt und stellen das auf ihren eigenen Websites als Referenzen dar.
Es ist auffällig, dass gleich drei Beratungsunternehmen in die Projekte involviert sind. Seit die Asylanträge im Jahr 2015 enorm anstiegen, setzt das BAMF vermehrt auf externe Beratung, um seine Prozesse durch Digitalisierung effizienter zu machen. Allein 2016 bekamen verschiedene Unternehmensberatungen insgesamt 25 Millionen Euro für ihre Tätigkeiten, McKinsey soll für seine Leistungen bis Ende 2020 rund 47 Millionen Euro erhalten.
Nicht jedes Problem lässt sich mit Digitalisierung lösen
https://netzpolitik.org/2019/bloss-nicht-verzetteln-das-bamf-und-seine-it-projekte/
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