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Sexuelle Belästigung und Mobbing: ! EU-Mitarbeiter beklagen sogar eine „Treibjagd auf Frischfleisch“ 

Europaparlament Sexuelle Belästigung und Mobbing: Gegen diese Abgeordneten gibt es Vorwürfe

Die Farben der Europaflagge vor einem Bild einer Frau mit einer Hand auf der Schulter
Metoo in Brüssel: Hinter den Kulissen im Europaparlament fallen oft die Hemmungen © Andrey Popov / Picture Alliance

von Charlotte Wirth und Nicolas Büchse

29.05.2024, 18:07 7 Min.

Etlichen Abgeordneten des Europaparlaments wird Mobbing oder sexuelle Belästigung vorgeworfen. Manche wurden inzwischen sanktioniert oder müssen sich vor Gericht verantworten. Ein Überblick. 

Inhaltsverzeichnis

Fraktion der Grünen/EFA

Malte Gallée

Malte Gallée
© European Union 2022

Der Grünen-Politiker Malte Gallée war Deutschlands jüngster Abgeordneter im Europaparlament, besonders bei jungen Wählern war der Politiker wegen seiner Tiktok-Videos beliebt. Dann konfrontierte ihn der stern mit den Vorwürfen mehreren Frauen, sie warfen ihm sexuelle Belästigung und Mobbing vor. Im März legte Gallée sein Amt nieder. In einem Statement auf seiner Webseite bestreitet er sämtliche Vorwürfe.

04.03.2024, 19:10 Uhr

Korwin-Mikke brachte diese Einlassung eine saftige Geldstrafe durch das Parlament ein. Doch mit solch kruden Ansichten über Frauen ist der Pole offenbar nicht allein – das Problem reicht viel tiefer und ist weitaus schlimmer. Mehrere Medien, darunter das Magazin „Politico“ und die „Sunday Times“ in Großbritannien, berichten nun über Dutzende sexuelle Übergriffe, die im Europaparlament vorgefallen sein sollen. Zumeist sind es Frauen, die von männlichen Abgeordneten begrapscht, verfolgt oder anderweitig belästigt wurden. In einigen Fällen sollen sexuelle Handlungen im Tausch für Jobs oder politische Gefälligkeiten eingefordert worden sein.

„In Machtsituationen gefangen“

Dass sich alle Opfer anonym gemeldet haben, und dass auch der Beschwerdeausschuss des Parlaments nichts von solchen Übergriffen weiß, wundert die Grünen-Abgeordnete Terry Reintke nicht: „Häufig betrifft es Mitarbeiter, die in direkten Machtsituationen gefangen sind. Deswegen haben sich die Frauen, die davon berichtet haben, auch nicht mit Namen nennen lassen – weil sie Angst haben, ihren Job zu verlieren oder andere Konsequenzen erleiden zu müssen.“

>Europäische Union, Politik

„Treibjagd auf Frischfleisch!“ – Schikane und sexuelle Belästigung im EU-Parlament!

  • 09. Juni 2024
Symbolbild eines verkommenen EU-Politikers (C) Report24.news

Während im EU-Parlament so kurz vor den Europawahlen noch über Migration und Klimaschutz gerungen wird, existiert hinter den Kulissen ein ganz anderes Problem: Machtmissbrauch, Mobbing, psychische Schikane, sexuelle Belästigung bis hin zu offener Gewalt. Und das im eigenen Haus! Nur (fast) niemand berichtet darüber! EU-Mitarbeiter beklagen sogar eine „Treibjagd auf Frischfleisch“  – Frauen warnen einander vor bestimmten Abgeordneten. Das EU-Parlament als perverses Tollhaus. Ein Thema, das wahrlich keiner so kurz vor der wichtigen Europa-Wahl gebrauchen kann! Hier die ganze, schockierende Wahrheit …

Von Guido Grandt (gugramediaverlag)

Sophie L. (Name geändert) ist jung, Anfang 20 und Praktikantin bei einer (nicht benannten) Fraktion im EU-Parlament in Brüssel. Dort wird sie Mitte 2023 auf einer Party mit Abgeordneten, Assistenten und Beratern Opfer eines später aktenkundigen Falles von sexueller Nötigung. Der mutmaßliche Täter: Der Assistent eines deutschen Abgeordneten, der sie nach der Party auch an den intimsten Stellen begrabscht und zudem versucht, ihr unter das T-Shirt zu fassen …

Sophie L. ist ein Beispiel von vielen anderen sexuellen Übergriffen und anderweitigen Grenzüberschreitungen im EU-Parlament und anderen EU-Institutionen. Und der Täter einer von vielen enthemmten Abgeordneten auf Anmachtour. Obwohl es im „Hohen Haus“ für alles eine Statistik zu geben scheint – für diese Verstöße und Verbrechen gibt es keine! Dabei fallen hinter vorgehaltener Hand immer wieder dieselben, teilweise prominenten Namen. Assistentinnen, Beobachter und Arbeitnehmervertreter sprechen längst von einer Kultur aus Mobbing, sexuellen Übergriffen, Machtmissbrauch. Und von Straflosigkeit der Täter, überwiegend Politiker.

Im März 2024 veröffentlichte die Initiative MeToo EP  eine Umfrage, an der mehr als 1.100 Beschäftigte teilnahmen. Zwei Drittel davon waren weiblich. Die erschreckenden Ergebnisse: 50 Prozent erlebten Mobbing, zirka 15 Prozent sexuelle Belästigung, knapp 7 Prozent sogar körperliche Gewalt. Tatort: Ihr Arbeitsplatz im EU-Parlament – ausgerechnet an dem Ort, an dem für ganz Europa Gesetze gemacht werden, die eigentlich alle Bürger vor Übergriffen am Arbeitsplatz und vor sexueller Gewalt schützen sollen.

Unter anderem recherchierte das deutsche Magazin Stern wochenlang im EU-Parlament und anderen EU-Institutionen und fand diverse Fälle von sexuellen Übergriffen und Zudringlichkeiten sowie von psychischer Schikane. Dort heißt es mitunter: „Es geht um prominente Christdemokraten, die mit Ordnern werfen und herumbrüllen, es geht um Mitarbeiter des Parlaments, die jungen Frauen in Meetings auflauern und ihnen später heimlich aufgenommene Fotos der Frauen schicken. Und um hochrangige Beamte, deren Verurteilung wegen Vergewaltigung totgeschwiegen wird. Manche der Vorfälle waren bereits in der Presse, viele tauchen bisher nicht öffentlich auf.“

Nicht zu vergessen – demnach werden auch männliche Mitarbeiter Opfer von Terror, gravierendem Mobbing und sexuellen Übergriffen an den EU-Arbeitsplätzen. An der Spitze jedoch stehen junge Frauen, für die beispielsweise das EU-Parlament zum „Haus der Angst“ geworden ist. Für einige schon beim Betreten eines Fahrstuhls. Und genau jene Furcht und Beklemmung ist es, die die Betroffenen beherrscht. „Hier gibt es Abgeordnete, bei denen wir einander warnen: Wenn du einen Rock trägst, geh‘ nicht zu dem rein“, sagt die Assistentin einer deutschen Abgeordneten. Und eine andere junge Beschäftigte ergänzt: „Betroffene haben Angst, ihren Job zu verlieren, weil die Abgeordneten ihren Einfluss nutzen können, um ihre Karriere zu zerstören.“

EU-Parlament gibt die Verfehlungen indirekt zu

Das Angst- und Mobbingkartell im EU-Parlament, sobald sich Arbeit und Privates mit fließenden Grenzen vermischt, funktioniert offenbar hervorragend. Denn selbst, wenn Beschäftigte Übergriffe melden oder Beschwerden einreichen, werden Vorwürfe oft nicht aufgeklärt, gleich gar nicht geahndet. Oft bleibt ihnen nichts anderes übrig, als zu kündigen. Der schützende Kokon aus Mandat und Macht, die die Parlamentarier umgibt, scheint unzerstörbar. Und noch etwas: Was die EU-Beamten von ihren „Untergebenen“ wirklich halten, macht auch ein weiteres Beispiel demokratischer Defizite klar: Ausgerechnet dort, wo jedes Jahr Hunderte Richtlinien, Beschlüsse und Verordnungen entstehen, gilt kein nationales Arbeitsrecht. Lediglich sogenannte„staff regulations“, was nichts anderes bedeutet, als dass sich die EU-Institutionen ihre Regeln nicht nur selbst geben, sondern diese auch selbst umsetzen und sogar selbst überwachen. Ein zynisches Hoch auf die Demokratie! Letztlich ist es nämlich so: Wenn ein EU-Kommissar oder Parlamentarier, sozusagen „Brüder im Geiste“, den anderen kontrolliert, dann ist wohl nicht viel von Aufklärung zu erwarten, sondern eher von „Augen zudrücken.“

Aber was sagt das EU-Parlament zu den Vorwürfen selbst? Eine Sprecherin weist alles zurück, verliert sich in Allüren wie etwa, „der Respekt vor der Menschenwürde und der Gleichheit“ seien Stützpfeiler des Hauses, und: „Das Parlament zeigt null Toleranz für Belästigung und andere Formen des unangebrachten Verhaltens.“ Das würde sich in der Geschäftsordnung und im Verhaltenskodex des Hauses wiederfinden, den alle Abgeordneten unterzeichnen müssten.

In diesem Verhaltenskodex heißt es (Hervorhebungen durch den Autor):

1. Bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben verhalten sich die Mitglieder des Europäischen Parlaments gegenüber allen im Europäischen Parlament tätigen Personen mit Würde, Höflichkeit und Respekt und ohne Vorurteile oder Diskriminierung.

2. Bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben verhalten sich die Mitglieder professionell und müssen im Umgang mit dem Personal insbesondere auf erniedrigende, beleidigende, anstößige oder diskriminierende Äußerungen und sonstige Handlungen verzichten, die unethisch, erniedrigend oder rechtswidrig sind.

3. Die Mitglieder dürfen durch ihr Handeln das Personal weder dazu anstiften noch ermutigen, die geltenden Gesetze, die Geschäftsordnung des Parlaments oder diesen Kodex zu verletzen, zu umgehen oder zu ignorieren, noch dürfen sie ein derartiges Verhalten des ihrer Verantwortung unterliegenden Personals dulden.

4. Um die effiziente Arbeitsweise des Europäischen Parlaments zu gewährleisten, bemühen sich die Mitglieder mit der gebotenen Diskretion darum, dass Meinungsverschiedenheiten oder Konflikte, an denen die ihrer Verantwortung unterliegenden Bediensteten beteiligt sind, umgehend, gerecht und wirksam beigelegt werden. ……………….

Ausgerechnet die Grünen

Wer hätte das gedacht – sogar der Fraktion der Grünen, die sich doch stets und vordergründig immer so „Menschwert“-orientiert zeigt, wachsen die internen Fälle zwischenzeitlich buchstäblich über den Kopf! So gibt es dort mindestens fünf Beschwerdeverfahren. Wohl am deutlichsten sticht daraus der 30-jährige Grünen-Politiker Malte Gallée hervor. Freilich nicht nur wegen seiner Extravaganzen, wenn er beispielsweise mit seinen silbrig glitzernden High Heels hinaus auf der Raucherterrasse im siebten Stock im Brüsseler Parlament stolziert,vorbei an den Büros der AfD oder wenn er mit einem Tretroller wie ein Kleinkind durch die Parlamentsflure kurvt.

Vielmehr stürzte der einst als jüngster deutscher Abgeordnete im EU-Parlament Gefeierte, der beinahe unaufhörlich Richtung Macht schwebte, regelrecht von seinem Höhenflug ab, als er mit MeToo-Vorwürfen Betroffener konfrontiert wurde. Etwa ein Dutzend Mitarbeiterinnen und Praktikantinnen werfen dem nun ehemaligen grünen Abgeordneten und Hoffnungsträger vor, sie sexuell belästigt zu haben. Doch der Ikarus-Parlamentarier wiegelte damit ab, indem er kryptisch verlauten ließ, das sei „in seiner Welt“ nicht passiert. Danach trat er zurück.

Malte Gallée ist nicht der einzige Grüne, der zwischenzeitlich unter Beschuss geraten ist. Offensichtlich mit ihm geklüngelt hat wohl auch die Spitzenkandidatin Terry Reintke. Und zwar insofern, dass sie die diesbezüglichen Hinweise monatelang ignoriert haben soll.

…………………………

Wenn weibliche Politikerinnen „übergriffig“ werden

Aber nicht nur Männer werden übergriffig und belästigend, sondern auch Frauen. In diesem Zusammenhang soll das Beispiel der zudringlichen Karolin Braunsberger-Reinhold, eine CDU-Abgeordnete aus Sachsen-Anhalt, genannt werden. Bei einem Ausflug in ihrem Wahlkreis und anschließender Wanderung über die „Weinmeile“, belästigte sie sexuell massiv und in volltrunkenem Zustand, bei dem sie nicht mehr gerade ausgehen konnte, gleich zwei Untergebene. Und zwar einen Mann und eine Frau. Zu ihrem Assistenten soll sie gesagt haben, dass sie bisexuell sei und „flachgelegt“ werden wolle. Auch fielen Worte wie „f …“. Später begrapschte sie noch ihre Mitarbeiterin an der Brust.

So jedenfalls steht es im 25-seitigen, internen Abschlussbericht des EU-Ausschusses für Belästigungs-Beschwerden, den die BILD am 3. März 2023 anführte. Doch Karolin Braunsberger-Reinhold wurde nicht bestraft, wie sie vollmundig auch verlauten ließ. Der EU-Ausschuss habe festgestellt, dass „in der Gesamtabwägung keine Sanktionen“ gegen sie als Abgeordnete und Person gerechtfertigt seien. Als BILD die EU-Parlamentschefin Roberta Metsola mit den Vorgängen konfrontierte, wollte sie sich nicht dazu äußern. So läuft das eben im „Hohen Haus.“

Weitere unfassbare Fälle aus dem europäischen „Sex- und Gewalt-Parlament“

– Die Dänin Karen Melchior von Renew soll dafür bekannt sein, Beschäftigte zu tyrannisieren.

– Der rechte Abgeordnete Peter Lundgren aus Schweden, wurde in seiner Heimat verurteilt, weil er einer Parteikollegin im schwedischen Parlament mit beiden Händen unter den Pullover gefasst hat.

– Der griechische Linke Alexis Gergoulis musste sich wegen Vergewaltigung einer Mitarbeiterin der EU-Kommission verantworten.

– Die Liberale Monica Semedo geriet wegen psychischer Gewalt gegen ihre Assistenten ins Gerede. Einmal wurde die Luxemburgerin sogar für 15 Tage vom Parlament ausgeschlossen. Und ein zweites Mal wurde ihr das Tagegeld von 348 Euro für zehn Tage gesperrt, obwohl sie alle Vorwürfe abstritt.

Überdies ergab eine aktuelle Recherche der investigativen Plattform Follow the Money, dass einer von vier EU-Abgeordneten bereits einen Verstoß oder eine Straftat begangen hat. Konkret: Von 704 Mitgliedern des Parlaments waren 163 Personen in Korruption, Betrug und Veruntreuung, oder Mobbing und sexuelle Übergriffe verwickelt.

Alleine diese Fakten lassen tief blicken.

„Er masturbierte hinter dem Schreibtisch“ – Unfassbare Fallgeschichten über EU-Abgeordnete

Nachfolgend einige Beispiele von Belästigungen und sexuellen und körperlichen Übergriffen von Europa-Parlaments-Abgeordneten (männlichen und weiblichen), wie sie auf dem Blog von MeToo EP (anonymisiert) veröffentlicht wurden (Hervorhebungen durch den Autor).

–  Ich bin erst 23 Jahre alt und habe daher noch eine lange Karriere vor mir. In den letzten Monaten meiner Ausbildung geriet ich jedoch in einige unangenehme Situationen. Ich war mit Mitarbeitern meiner Abteilung etwas trinken, und plötzlich kam einer der männlichen Kollegen in den Fünfzigern auf mich zu und fragte mich, was ich nach der Ausbildung vorhabe. Ich hatte während meines Praktikums kaum mit ihm gesprochen, daher hatten wir keine enge Beziehung.

Er fing an, mir zu sagen, wenn ich im Europäischen Parlament bleiben wolle, solle ich „alle Männer ansprechen, wie ihn, und meine ‚wunderbaren Fähigkeiten‘ nutzen, die ich als junge und hübsche Frau habe“. In diesem Moment wusste ich nicht, wie ich reagieren sollte. Wenn ich jetzt an den Moment zurückdenke, wünschte ich wirklich, ich hätte etwas gesagt. Dann fuhr er fort, mir zu sagen, dass ich in die Büros älterer Männer gehen und sagen sollte, dass ich einen Vertrag will und dass ich bereit bin, „alles“ zu tun, um ihn zu bekommen. Er sagte mir, ich solle den Männern sagen, dass ich lesbisch bin, und zitierte ihn, „weil uns das noch mehr anmacht“. Ich war zutiefst angewidert. Es war das erste Mal, dass mir so etwas passierte. Natürlich schlug er auch vor, bestimmte Direktoren aus bestimmten Generaldirektionen des Europäischen Parlaments anzusprechen. Er sagte mir, wenn ich intelligent wäre, würde ich seinem Rat folgen.

– Ein ehemaliger männlicher Europaabgeordneter, der jetzt als Berater in Spanien recht erfolgreich ist, hielt es für angemessen, mir über eine LGBTQI+-Dating-App ständig Nachrichten zu schicken. Manchmal lud er mich sogar ein, als er wieder in Madrid war.

………………………………….

Letztlich sind die EU-Institutionen, allen voran das EU-Parlament und die EU-Kommission, bereits teilweise zu einem pervertierten Tollhaus und Bordell verkommen, in dem diesbezüglich Rechtlosigkeit zu herrschen scheint, obwohl vordergründig darum bemüht, geschaffene Regeln einzuhalten.

An all das sollte man denken, wenn am 9. Juni 2024 eine neue Zusammensetzung des Europäischen Parlaments gewählt wird.

https://report24.news/treibjagd-auf-frischfleisch-schikane-und-sexuelle-belaestigung-im-eu-parlament/

Grüne: Jüngster Europaabgeordneter tritt nach Vorwürfen zurück

Grüne: Jüngster Europaabgeordneter tritt nach Vorwürfen zurück

Der jüngste deutsche Abgeordnete im Europaparlament, Malte Gallée (Grüne), ist zurückgetreten. Gegen den 30-Jährigen wurden Belästigungs-Vorwürfe laut, die er bestreitet. Der Rücktritt falle ihm schwer, schreibt er in einem Statement.

Von

Claudia Grimmer

Claudia GrimmerStanislaus KossakowskiBR24 Redaktion

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am 04.03.2024 um 17:30 Uhr.

Der jüngste deutsche Europaabgeordnete, Malte Lenz Gallée (Grüne), legt sein Mandat nieder. Gallée ist am Freitag (01.03.24) aufgrund von Belästigungsvorwürfen zurückgetreten. In einer persönlichen Erklärung auf seiner Webseite schreibt er: „Unkonkrete Gerüchte über mich hatte es bereits zuvor gegeben und ich habe die Ombudsstelle meiner Fraktion im Europäischen Parlament schon im Jahr 2022 aktiv gebeten, diesen nachzugehen“. Er wolle „die gebotene Vertraulichkeit“ der Verfahrensstrukturen „und den Schutz aller Beteiligten“ nicht gefährden, betont aber auch, dass er nichts zu verbergen habe.

Vorwurf gegen Abgeordneten: „Grenzüberschreitendes Verhalten“

Nach einem Bericht des Magazins „Stern“ sollen die Beschwerden gegen Gallée im Sommer 2022 bei den Ombudspersonen der Grünen-Fraktion im Europaparlament eingegangen sein. Die Vorwürfe hätten zunächst grenzüberschreitendes Verhalten, unerwünschte Berührungen, ungebetenes Betreten von Büros, aber auch Mobbing betroffen. Gallée sagte dem Stern: „In meiner Welt ist das nicht passiert.“

Grüne: Abgeordneter und Partei schweigen nach Rücktritt

Die Grünen in Bayern schreiben in einer Pressemitteilung, dass sie sich „zu möglichen Fällen entsprechend nicht äußern können“. Gallée begründet seinen Rücktritt damit, dass er sich in den nächsten Wochen und Monaten auf die Aufklärung des Falls konzentrieren wolle, „zumal die aktuellen Vorgänge eine erhebliche Belastung für mich und meine Arbeit im Europäischen Parlament darstellen“, schreibt er weiter auf seiner Website.

„Mein Rücktritt als Abgeordneter fällt mir schwer und ich bedauere, dem Europäischen Parlament fortan nicht mehr anzugehören.“ Malte Gallée

Bremerin könnte für Gallée nachrücken

Unterdessen zeichnet sich ab, wer auf den zurückgetretenen Europaparlamentarier für die restliche Legislatur folgen könnte. Sobald das Europäische Parlament formal festgestellt hat, dass Gallée sein Mandat zurückgibt, kann geklärt werden, wer für ihn nachrückt. Das teilte das Büro der Bundeswahlleiterin in Wiesbaden auf Anfrage von BR24 mit. Dem endgültigen Ergebnis der Europawahl von 2019 zufolge steht als nächste Nachfolgerin der Grünen Henrike Müller aus Bremen auf der Liste. Die 48-jährige Politikwissenschaftlerin ist aktuell Mitglied der Bremischen Bürgerschaft.

Nach dem EU-Wahlrecht wird Müller aber nicht automatisch Gallées Nachfolgerin, sondern sie muss sich bereit erklären, das Mandat anzunehmen. Nimmt sie das Amt nicht an, gibt es weitere Personen auf der amtlichen Nachrückerliste. Gallée, der 2019 den Einzug ins Europaparlament verfehlt hatte, war selbst im Dezember 2021 für Sven Giegold nachgerückt, der als Staatssekretär ins Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz berufen wurde.

Gallées Regionalbüro befindet sich in Bamberg

Das Regionalbüro des gebürtigen Baden-Württembergs Gallée, der an der Uni-Bayreuth Philosophy and Economics studiert hat, befindet sich in Bamberg. Für die Europawahl 2024 nominierten die Grünen Bayern am 20. Mai 2023 Gallée als Spitzenkandidaten gemeinsam mit Henrike Hahn auf der Landesdelegiertenkonferenz in Erlangen. Bei der Aufstellung der Bundesliste konnte sich jedoch Andie Wörle als bayerische Spitzenkandidatin der Grünen durchsetzen. Er ist der jüngste Europaabgeordnete im Parlament und kommuniziert viele Themen über seinen TikTok- und Instagram-Account mit 50.000 Followern.

https://www.br.de/nachrichten/bayern/vorwuerfe-juengster-europaabgeordneter-tritt-zurueck,U62PXXb

Stolpert die Grünen-Politikerin Terry Reintke über den Fall Gallée?

Terry Reintke
Terry Reintke ist EU-Fraktionsvorsitzende und Spitzenkandidatin der Grünen für die Europawahl

Europa-Spitzenkandidatin Terry Reintke = Dumm, ohne Beruf. Familie und Bildung

studierte Reintke von 2006 bis 2012 Politikwissenschaft bei den Ultra Deppen in Berlin

an der Freien Universität Berlin und der University of Edinburgh[2]. Sie schloss das Studium mit einem Diplom und einer Arbeit zum Thema „Lokale NGOs und sexualisierte Gewalt in den Balkankonflikten“

Nach der Wahl

Lisa Becke

von Lisa Becke

05.03.2024, 12:02 4 Min.

Terry Reintke, Co-Fraktionschefin der Grünen im Europaparlament, geht auf Tauchstation, nachdem der stern Belästigungsvorwürfe gegen einen ihrer Abgeordneten öffentlich machte. Doch der Druck steigt. 

Eine Gewinnerin betritt den Saal. Im roten Kleid schreitet Terry Reintke Ende November den Gang in der Karlsruher Messehalle entlang. Auf dem Grünen-Parteitag wählen die Delegierten sie mit 95 Prozent der Stimmen zur Spitzenkandidatin für die Europawahl. Strahlend nimmt Reintke die Nominierung entgegen.

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  1. balkansurfer
    Juni 10, 2024 um 5:22 pm

    Wir sind das Schlachtfeld für die „kognitive Kriegsführung“ der Nato

    4. 06. 2024 | Die immer intensivere Manipulation, Zensur und Gleichrichtung der Medien ist Teil der „kognitiven Kriegsführung“ der Nato. Jüngste Eskalationsstufen in diesem Kampf der Militärs um die Köpfe sind eine schnelle Eingreiftruppe der EU für „hybride Bedrohungen“ und das Fußball-Sponsoring der Waffenschmiede Rheinmetall. Perfider ist jedoch das Agieren auf dem Schlachtfeld Schule.

    Hinweis: Weil es über dieses stark unterbelichtete Thema so viel zu berichten gibt, ist es ein längerer Beitrag geworden. Wer unterwegs die Geduld verliert, findet im Fazit eine Liste von Indizien und Belegen dafür, dass Militär und Geheimdienste regelmäßig im Hintergrund dabei sind, wenn den Regierenden unbequeme Informationen und Meinungen zensiert und deren Verbreiter diskreditiert werden.

    Am 20. Mai habe ich hier darüber berichtet, welche Rolle die großen Nachrichtenagenturen DPA, APA und AFP für die Gleichrichtung der Berichterstattung deutschsprachiger Medien durch Faktenchecks spielen und wie das US-Militär dabei mitwirkt.

    Am 23. Mai hielt Susanne Lackner, stellvertretende Vorsitzende der österreichischen Medienaufsicht Komm Austria, auf einer Veranstaltung der APA einen Vortrag, in dem sie Plattformbetreiber über ihre Verpflichtungen zur Bekämpfung von Desinformation aufgrund des Digital Services Act (DSA) informierte. Bemerkenswert offen sprach sie den militärischen Hintergrund dieser Verpflichtungen an:

    „Es gibt die Einflussnahme auf Informationen, da kommen wir natürlich schon in die Außen und Sicherheitspolitik herüber und Einmischungen aus dem Ausland. (…) Wenn man von ausländischer (…) Einflussnahme in den Netzen spricht, dann muss es z.B. nicht unbedingt illegal sein. Die EU hat deshalb auch einen sehr vielschichtigen Ansatz. Es wird im Rahmen der normalen Außen- und Sicherheitspolitik begegnet. (…) Und natürlich im Rahmen der ganz normalen sozusagen Verteidigungspolitik. Man spricht vom hybriden Charakter von Desinformation. Das heißt, die Desinformation ist ein Mittel der Kriegsführung.“

    Wir haben es hier also mit Kriegsführung und mit Außen- und Sicherheitspolitik zu tun, und mit einem Kampf gegen Desinformation, die nicht unbedingt illegal, nur irgendwie schädlich ist. Oder in den Worten der österreichischen Medienaufseherin und der DSA, die „tatsächliche oder absehbare nachteilige Auswirkung auf die gesellschaftliche Debatte, auf Wahlprozesse und die öffentliche Sicherheit“ hat.

    Die Mittel im militärischen Kampf gegen solche Formen von Desinformation sind, in den Worten von Lackner, der Verhaltenskodex zur Desinformation, verifizierte Faktenchecks zur „Förderung seriöser Nachrichtenquellen“, Demonetarisierung und Downranking derartiger Inhalte sowie Anpassung von Empfehlungssystemen der Suchmaschinen und Plattformen. Was die Demonetarisierung angeht, so betreiben zwei Menschen aus dem US-Geheimdiensmilieu einen Global Disinformation Index. Tief im Maschinenraum des Internets sorgt dieser Index dafür, dass in Ungnade gefallene Netzseiten nur noch ganz geringe Werbeeinnahmen generieren können. Und zwar so, dass sie sich nicht dagegen wehren können, und das pro-forma, der Staat dabei keine Rolle spielt.

    Das äußert sich zum Beispiel so, dass seit einigen Wochen Facebook-Beiträge, die Artikel meines Blogs verbreiten, von Facebook heruntergestuft, also im Nirwana versenkt werden, wo sie niemand sieht. Das geschieht meist mit der absurden Begründung „Gewaltdarstellung und extreme Inhalte“, seit neuestem auch „sensible Inhalte“.

    Den Vortrag von Lackner auf Video finden Sie unter anderem bei tkp.at.

    Wenige Tage später forderte – wie berichtet – die FDP-Fraktion im Bundestag die Einrichtung eines Zentrums für hybride Kriegsführung. „Hybride Kriegsführung“ ist eine Begriffsneuschöpfung der Militärs und bedeutet psychologische Kriegsführung, altmodisch auch als Kriegspropaganda bezeichnet.

    In Großbritannien gab es um eine derartiges, mit den Geheimdiensten verbandeltes Zentrum namens Counter Disinformation Unit (Einheit gegen Desinformation) einen großen Skandal, der im November 2023 dazu führte, dass diese umbenannt wurde. Es war bekannt geworden, dass diese Einheit Dossiers über legitime Äußerungen von Corona-Maßnahmenkritikern in sozialen Medien angelegt hatte, einschließlich Parlamentariern und Journalisten. Seither heißt die gleiche Truppe National Security Online Information Team (NSOIT) und soll sich darauf konzentrieren bei Plattformen auf die schnelle „freiwillige“ Löschung staatswohlgefährdender „Fehlinformation“ insbesondere zum Russland-Ukraine-Krieg und zum Gaza-Krieg hinzuwirken.Kognitive Kriegsführung der Nato

    Im Nato-MagazinThe Three Swords wurde 2023 ein Aufsatz mit dem Titel „Cognitive Warfare“ veröffentlicht.

    Darin erklärt Kommandant Cornelis van der Klaauw von Strategic Communications and Information Operations des NATO Joint Warfare Centre das 2020 entwickelte Konzept der Kognitiven Kriegsführung (übersetzt) so:

    „Das Konzept ist Teil des Kriegskunst-Imperativs der kognitiven Überlegenheit. Ziel des Konzepts ist es, (…) durch defensive und proaktive Maßnahmen den Schutz des Bündnisses zu gewährleisten und unsere kognitiven Prozesse zu verbessern. (…) Kognitive Effekte beeinflussen unser Denken, Fühlen und Handeln, indem sie gehirnzentrierte Technologien einsetzen, die darauf abzielen, Strukturen zu destabilisieren, Misstrauen zu schaffen und den sozialen Zusammenhalt zu spalten und zu brechen, indem sie beispielsweise bereits bestehende soziale Unterschiede verstärken, um Demokratien zu untergraben und unsere regelbasierten Systeme zu schwächen. Ist die Abwehr von kognitiven Angriffen wirklich eine militärische Aufgabe? Ja, das ist sie.“

    Wenn man diese und die oben schon zitierten Bekundungen der großen militärischen Bedeutung der Bekämpfung von sogenannter Desinformation auf sich wirken lässt, so wundert man sich nicht mehr über den Nachdruck, mit dem die Nato-Regierungen und die EU die zugehörige Zensur- und Manipulationsagenda verfolgen und mit welcher Willigkeit sich die Nachrichtenagenturen, Massenmedien und soziale Medienplattformen dem unterwerfen.

    Dabei ist die rechtliche Basis und Begründung für ein Tätigwerden der Nato ausgesprochen weit hergeholt. Van der Klaauw verweist dafür auf Artikel 3 des Nato-Vertrags:

    Um die Ziele dieses Vertrags wirksamer zu erreichen, werden die Vertragsparteien einzeln und gemeinsam durch ständige und wirksame Selbsthilfe und gegenseitige Hilfe ihre individuelle und kollektive Fähigkeit, bewaffneten Angriffen zu widerstehen, aufrechterhalten und weiterentwickeln.“

    Einflussnahme auf die öffentliche Meinung eines anderen Landes als „bewaffneten Angriff“ zu klassifizieren erschließt sich nicht leicht. Aber die Versuchung für die Militärs ist wohl einfach zu groß, denn:

    „Diese Angriffe konzentrieren sich auf den Menschen, d. h. sie haben die menschliche Wahrnehmung als Schwerpunkt, und das ist im Prinzip ein ständiger, nie endender Kampf.“

    Was gibt es schöneres für die Militärs als einen nie endenden Kampf, den sie mit selbst zu definierenden Mitteln kämpfen dürfen?

    Es lohnt sich, die Beschreibung des Schlachtfelds und der Kampfmittel durch Nato-Commander van der Klaauw etwas ausführlicher zu zitieren, denn die meisten denken irrtümlicherweise bei sozialen Medien, Smartphones, Smart Watches und dem Metaverse nicht an deren militärische Bedeutung als Instrumente der kognitiven Kriegsführung gegen die eigene und fremde Bevölkerungen:

    „Soziale Medien und digitale Netzwerke sind unser wichtigstes Umfeld für den Austausch von Informationen aller Art. Es gibt jedoch noch weitere Aspekte, die soziale Medien zu einem idealen Vektor für kognitive Aktivitäten machen. Soziale Medien schwächen unsere kognitiven Fähigkeiten, da die Inhalte leicht Emotionen wecken können und uns zu schnellen Reaktionen zwingen. Soziale Medienplattformen sind so konzipiert, dass sie süchtig machendes Verhalten fördern. Im Durchschnitt sind wir täglich zwischen fünf und sieben Stunden digitalen Informationssystemen ausgesetzt. Darüber hinaus eignen sich die sozialen Medien ideal zum Sammeln persönlicher Informationen und zur Durchführung von Datenanalysen und Datamining. Die Erstellung des digitalen Profils einer Person ist ein schneller und relativ einfacher Prozess, der mit begrenzten Mitteln durchgeführt werden kann.

    Eng mit den sozialen Medien verbunden und oft vollständig in diese integriert sind unsere intelligenten Geräte. Intelligente Geräte sammeln alle möglichen persönlichen physiologischen Informationen wie Blutdruck, Herz- und Atemfrequenz, Hauttemperatur usw. All diese Informationen sind relevant, um Menschen im richtigen Moment anzusprechen, zum Beispiel wenn sie müde, hungrig, gestresst oder wütend sind.

    Das Metaverse ist in der Lage, die physische Welt nachzubilden und durch den Einsatz von Headsets, Körperanzügen und haptischen Geräten (Tastgefühl simulierend; N.H.) ein sehr intensives soziales Erlebnis zu bieten. Gleichzeitig kann es eine beträchtliche Menge an physischen und mentalen Informationen liefern, die für psychologische und emotionale Manipulationen oder – in den Händen von Gegnern – für das Microtargeting von Personen genutzt werden können.“

    Die Militärs und ihre Kooperationspartner in Regierung und Medien wollen uns also auf diesem Schlachtfeld, auf das wir uns mehr oder minder freiwillig begeben, vor feindlicher Einflussnahme schützen. Gleichzeitig wollen sie die gesammelten Daten über uns nutzen, um „proaktiv“ unsere kognitiven Prozesse (in ihrem Sinne) zu verbessern.

    Regierungskritisches Denken ist ein kognitiver Prozess, der verbessert werden muss. Das versteht sich in diesem Zusammenhang und bei diesen Akteuren fast von selbst. Denn solches Denken „delegitimiert“ wichtige Institutionen und spaltet. Doch nur eine geschlossen hinter der Regierung stehende Gesellschaft ist stark gegenüber äußeren Feinden.

    Wenn in diesem Beitrag von Regierungen die Rede ist, dann sind damit – passend zur Interessenlage der Nato-Strategen – Regierungen der Nato- und EU-Länder gemeint, die den Zielen und Mitteln der gemeinsamen Führungsmacht der beiden Staatenbünde konstruktiv gegenüberstehen.

    Jonas Tögel hat im November 2022 die Entwicklung der Nato-Strategie der kognitiven Kriegsführung seit 2020 nachgezeichnet.

    • Im Aufsatz „NATO´s Sixth Domain of Operations“ („Das sechste Einsatzgebiet der NATO“) vom September 2020 wird eine „ständige Erosion der Moral der Bevölkerung“ beklagt, weshalb der Mensch („the human domain“) die größte Schwachstelle darstelle. Dieses Einsatzgebiet sei folglich die Basis für alle anderen Schlachtfelder (Land, Wasser, Luft, Weltraum, Cyberspace), die es zu kontrollieren gelte.
    • Im Strategiepapier „Cognitive Warfare“ von Januar 2021 heißt es, nötig sei eine „partizipatorische Propaganda“, bei der „jeder mitmacht“. Das Einsatzgebiet beziehe sich auf „das ganze menschliche Umfeld (human domain), ob Freund oder Feind“.

    In diesem Lichte ist sicherlich zu lesen und zu verstehen, wenn im Digital Services Act der EU von „schädlichen“ Inhalten die Rede ist, die die Plattformen unter Androhung sehr hoher Geldstrafen schnell zu löschen haben. Das Gesetz ist, wie die Vertreterin der österreichischen Medienaufsicht zwischen den Zeilen einräumte, Teil der kognitiven Kriegsführung von EU und Nato,

    Als vorläufigen Höhepunkt der militärischen Bekämpfung schädlicher (weil abweichender) Meinungen hat der EU-Rat am 21. April einen Handlungsrahmen für die Aufstellung und Entsendung zivil-militärischer Schneller hybrider Eingreifteams (Hybride Rapid Response Teams) beschlossen. Wenn eine Regierung sich einer hybriden Bedrohung ausgesetzt sieht, also zum Beispiel in den sozialen Medien und auf der Straße heftig kritisiert wird – wie zum Beispiel seinerzeit durch die Gelbwesten in Frankreich oder die Corona-Maßnahmenproteste – dann können sie diese Teams anfordern, welche die „relevante zivile und militärische Expertise“ bündeln.

    In Helsinki betreiben NATO und EU-Kommission gemeinsam ein Zentrum gegen hybride Bedrohungen, das ausländische Propagandaangriffe abwehren soll. Hier wird man bezüglich der „relevanten Expertise“ wohl regelmäßig fündig werden. Zu den Bedrohungen zählen „Desinformation, instrumentalisierte Migration und Wahleinmischung durch böswillige Akteure“. Die Teams sollen den Mitgliedstaaten und den Partnerländern maßgeschneiderte Unterstützung bei der Bekämpfung solcher hybrider Bedrohungen und Kampagnen bieten.

    Wenn also eine Regierung diese Untersützung gegen eine „hybride Kampagne“, also z.B. gegen protestierende Bürger, anfordert, stehen diese plötzlich einer Regierung gegenüber, die das gesamte Arsenal der militärischen, geheimdienstlichen und propagandistischen Mittel der Nato gegen sie in Stellung bringen kann. Das ist kein Spaß. Der autoritäre bis brutale und oft rechtswidrige Umgang mit Menschen und Veranstaltungen, die Solidarität mit den Menschen in Gaza bekunden wollen, in Lille, Brüssel, Berlin und vielen anderen Orten, hat sicherlich sehr viel mit dem kognitiven Krieg der Nato an der Heimatfront zu tun. Entsprechende Erfahrungen der maßnahmenkritischen Demonstranten während der Corona-Zeit ebenso.

    Es gibt noch viel mehr Politikbereiche, in denen es die EU militärisch wichtig findet, dass sich alle hinter der Regierung versammeln und Abweichler diskreditiert werden. Mit Stand von Oktober 2022 listete das mit den Geheimdiensten kooperierende Strategische Kommunikationszentrum East StratCom laut einem Gastbeitrag von Johannes Mosmann auf diesem Blog allein über den Ukraine-Konflikt 5.755 gezielte „Desinformationen“ auf, und viele tausend weitere zu anderen Themen wie Corona oder Klimawandel. East StratCom ist ein Dienst des External Action Service der EU, der für die EU-Außenpolitik, „einschließlich ziviler und militärischer Planung und Krisenreaktion“ zuständig ist. Aufgabe ist es, „die laufenden russischen Desinformationskampagnen vorherzusagen, anzugehen und darauf zu reagieren“.

    Demnach verbreitete Russland unter anderem die folgenden „Falschbehauptungen“, um westliche Demokratien zu destabilisieren:

    Wer solche und ähnliche Meinungen äußerte oder noch äußert, beteiligt sich nach dem Nato-. und EU-Verständnis an einem hybriden militärischen Angriff auf unser Hoheitsgebiet und kann es – direkt oder indirekt – mit der Nato zu tun bekommen. Die wenigsten hätten gedacht, dass sie sich mit einem derart mächtigen Gegner anlegen, wenn sie etwa die Corona-Maßnahmen der Regierungen oder deren Impfhysterie kritisierten. Aktuell können interessierte Medienvertreter zum Beispiel lernen, dass die Behauptung, manche Autos und SUVs aus der Militärhilfe fänden ihren Weg in ukrainische Führungszirkel und ein Teil der gelieferten Waffen werde in andere Länder verkauft, eine von Russland verbreitete Falschinformation sei. Dabei ließ sich aufgrund von Rücktritten korrupten Führungspersonals der Ukraine nicht einmal mehr vermeiden, dass über dieses Problem in unseren Fernsehnachrichten berichtet wurde.

    Grundlage für die schnellen Nato-EU-Eingreiftruppen ist ein Beschluss des EU-Rates von Juni 2023 zu den Werkzeugen zur Abwehr hybrider Kampagnen, mit dem die EU das Vokabular und die Nato-Strategie der kognitiven Kriegsführung weitgehend übernommen hat.

    Dass Deutschlands größte Rüstungsschmiede Rheinmetall vor kurzem einen millionenschweren Sponsoring-Vertrag mit dem Fußball Bundesligisten Borussia Dortmund (BVB) abgeschlossen hat ist Teil dieser psychologischen Kriegsführung. Der Vorsitzende der BVB-Geschäftsführung machte kein Hehl daraus, dass damit im Sinne der Nato-Strategie unsere kognitiven Prozesse verbessert werden sollen. Hans-Joachim Watzke erklärt die umstrittene Entscheidung des Vereins damit, dass sich die Gesellschaft sehr viel ernsthafter mit den Themen Sicherheit und Verteidigung auseinandersetzen müsse. Der Verein könnte dafür eine Plattform sein. Offen und direkt sollte über die „neue Normalität“ geredet werden können, nämlich über die Verteidigung der Freiheit in Europa.Vom Debunking zum Prebunking

    Die Faktenchecks von DPA, ARD, Correctiv und Co. und die mit diesen bewirkte Gleichrichtung der wichtigen Medien sind zwar ein wichtiger Bestandteil des Arsenals zur Verbesserung unserer kognitiven Prozesse. Aber die Nato-Strategen sind sich sehr der Tatsache bewusst, dass man mit Faktenchecks diejenigen nicht mehr überzeugen kann, die bereits zu misstrauisch geworden sind. Deshalb ist ein mindestens ebenso wichtiges Instrument der kognitiven Kriegsführung, das Prebunking. Damit soll das Aufkommen von Misstrauen in die eigene Regierung verhindert und das Misstrauen gegenüber deren Kritikern befördert werden. Denn, wenn den Kritikern von vorne herein nicht geglaubt wird, hat es die Regierung viel leichter, das Vertrauen der Bevölkerung zu behalten, auch wenn sie deren Grundrechte einschränkt, diese in Kriege hineinzieht oder ihnen große finanzielle Opfer für fremde Kriege abverlangt.

    Die englische Wortneuschöpfung „Prebunking“ leitet sich von „Debunking“ ab, also dem (nachträglichen) Widerlegen einer Behauptung. Unabhängig von der konkreten Behauptung soll durch Prebunking erreicht werden, dass dem Sender der Botschaft nicht geglaubt wird, dass alles was er sagt schon von vorne herein („Pre“) als widerlegt gilt. Kurz vor den EU-Parlamentswahlen pries Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dieses Konzept in einer Rede:

    „In Anbetracht der Technologieentwicklung müssen wir gesellschaftliche Immunität gegen die Manipulation von Informationen aufbauen. Denn die Forschung hat gezeigt, dass Prebunking viel erfolgreicher ist als Debunking. Kurz: Eine Krankheit zu verhindern ist besser als sie zu heilen. Stellen Sie sich einmal Informationsmanipulation als einen Virus vor: anstatt eine Infektion zu behandeln, nachdem sie sich festgesetzt hat – das ist Debunking -, ist es viel  besser zu impfen (vaccinate), sodass der Körper dagegen immunisiert ist (inoculated). Das ist der Ansatz von Prebunking.“

    Die Nato hat das Prebunking als Methode der kongnitiven Kriegsführung auf heimischem Schlachtfeld im Oktober 2021 in einer Studie mit dem Titel „Inoculation Theory and Misinformation“ erklärt.

    Autoren sind die Psychologen Jon Roozenbeek von der Abteilung für Kriegsstudien des Kings College, London und  Sander van der Linden von der Universität Cambridge, England. Darin machen sie deutlich, dass es ihnen beim vorgeschlagenen Prebunking vor allem um „Fehlinformationen“ (Misinformation) geht, die nicht im engen Sinne falsch sind, aber den Empfänger zu unerwünschten Schlussfolgerungen verleiten. Denn diese Form der Fehlinformation sei die Gefährlichste. Sie bringen als Beispiel Beiträge über schwere Nebenwirkungen von Impfungen, die nicht auch die Versicherungen der Hersteller und der Regierungen enthalten, dass diese Nebenwirkungen vernachlässigbar selten sein sollen.

    Selbst vor etwa einem Jahr noch, also im Wissen, dass die Nebenwirkungen sehr viel häufiger auftreten, als 2021 (offiziell) angenommen und verkündet wurde, bringt van der Linden in einem Vortragsvideo noch das Beispiel der angesehenen Chicago Tribune, die mit einem sachlich korrekten Beitrag über einen gesunden Arzt, der zwei Wochen nach Impfung plötzlich starb, schändlicher Weise den Verdacht genährt habe, das könne etwas mit der Impfung zu tun haben:

    „Das Problem bei dieser und ähnlichen Nachrichten ist, dass keine der Informationen in der Schlagzeile faktisch falsch ist; es ist vielmehr die implizite Botschaft, die die Schlagzeile irreführend macht. Folgerichtig geht es bei anderen Ansätzen nicht um die faktische Richtigkeit von Nachrichten, sondern um die Aussageabsicht.“

    Die Bevölkerung ist also nicht gegen falsche Informationen, sondern gegen Menschen und Institutionen mit bestimmten, dem offiziellen Narrativ widersprechenden Aussageabsichten zu impfen. In seinem Vortrag macht van der Linden deutlich, dass er sich durchaus bewusst ist, dass das, was er propagiert, letztlich nichts anderes ist als Regierungspropaganda gegen deren Kritiker. Er sagt:

    „Wir arbeiten viel mit Regierungen zusammen. Es stimmt. Jede Aufklärungskampagne für die Öffentlichkeit, die die Regierung betreibt, wird als Aufklärung betrachtet. Was andere Regierungen tun, heißt Propaganda.“

    Passend dazu listet van der Linden unter die Aussageabsichten, gegen die die Bevölkerung mit seiner Technik immunisiert werden soll als Polarisierung, Diskreditierung von Faktencheckern und Mainstream-Medien, Verschwörungstheorien und Angstmache (vor Impfung).

    Prebunking, hybride und kognitive Kriegsführung sind aber nur relativ junge Schlagworte, die die Nato für etwas geschaffen hat, was sie schon deutlich länger betreibt.

    2016 veröffentlichte Atlantik Council eine Studie, in der er Politiker verschiedener Parteien, einschließlich Sigmar Gabriel, zu Putins Fünfter Kolonne erklärt und Medien und Geheimdienste aufforderte, sich intensiv um diese zu kümmern. Der Atlantic Council ist eine höchstkarätig besetzte Nato-Vorfeldorganisation, Zu den Empfehlungen gehörte, dass die EU und nationale Regierungen zivilgesellschaftliche Gruppen und Medien unterstützen und finanzieren, die daran arbeiten, Trojanische Pferde Russlands zu enttarnen und zu diskreditieren. Die EU sollte außerdem eine unabhängige Agentur gründen, die zivilgesellschaftliche Hinweisgeber-Gruppen finanziert.

    Die ARD gründet 2017 den Faktenfinder, der sich schnell als Verkündungsorgan von Nato-Thesen und zur Diskreditierung von russischen Gegenthesen etablierte.

    Wenige Tage nach Veröffentlichung der Studie des Atlantic Concil kam die Washington Post mit einem aufsehenerregenden Zeitungsaufmacher, in dem sie eine schwarze Liste von US-Medien propagiert, die Teil eines russischen Propagandanetzwerks seien. Grundlage war laut Zeitung die Analyse einer anonymen „Ansammlung von Forschern mit Hintergründen aus der Außenpolitik, dem Militär und der Technologieszene, die sich ProporNot nennt. Diese machte eine Kampagne zum Säen von „Misstrauen in die US-Demokratie und ihre Führer“ aus und erklärt es dabei ausdrücklich für unwichtig, ob die Netzseiten auf ihrer Liste überhaupt wissen, dass sie russische Propaganda verbreiten. Wenn sie die Regierenden kritisieren, agierten sie zumindest als ‚nützliche Idioten‘ der russischen Geheimdienste. Die Geheimdienste und das FBI sollten die gelisteten Medien hochnotpeinlich überprüfen. Außerdem solle die „Zivilgesellschaft“ mithelfen, verdächtige Umtriebe aufzudecken, öffentlich anzuprangern und zu melden.

    Die Zugriffszahlen der betreffenden Medien brachen in den Folgemonaten auf nicht ganz unerklärliche aber unerklärte Weise ein.

    2018 schloss Facebook eine Vereinbarung mit dem Digital Forensic Research Lab des Atlantic Council. Danach wird dieses darauf achten, dass keine russischen Quellen über das soziale Netzwerk westliche Öffentlichkeiten mit Falschinformationen und Propaganda politisch beeinflussen können. Damit wird laut Atlantic Council sichergestellt, „dass Facebook eine positive Rolle bei allen Wahlen rund um die Welt spielt.“ Die erwähnte Studie des Atlantic Council zu den Trojanischen Pferden des Kremls in der deutschen Politik zeigt recht deutlich, was der Atlantic Council unter einer positiven Rolle bei Wahlen versteht. Das Digital Forensic Research Lab und seine Schwesterorganisation Bellingcat sind aller Plausibilität nach nicht die Freizeitbeschäftigung des abgebrochenen Medizinstudenten und Finanzsachbearbeiters Eliot Higgins, als die sie uns präsentiert werden, sondern Tarnorganisationen von Nato-Geheimdiensten.

    Im Auftrag des US-Verteidigungsministeriums erstellte der Atlantic Council 2018 eine Broschüre mit dem vielsagenden (übersetzten) Titel „Wessen Wahrheit?: Souveränität, Desinformation und wie man die Schlacht um das Vertrauen gewinnt“. Hauptempfehlung: Nicht staatstragende Meinungen und Informationen sind zu zensieren, am besten auf indirektem, unauffälligem Wege, indem man das auf die Plattformen, nachgeordneten Agenturen und die „Zivilgesellschaft“ auslagert.

    Kurz zuvor hatte uns der vom Atlantic Council hochgelobte Justizminister Heiko Maas mit seinem Netzwerkdurchsetzungsgesetz beglückt, das genau dieses bewerkstelligte.

    Schon damals wussten die Militärs, dass Desinformation um so gefährlicher ist und um so mehr bekämpft werden muss, je näher sie bei der Wahrheit ist, denn: „Wenn Desinformation falsche Wahrnehmungen erzeugt und sicher geglaubte Wahrheiten (beliefs) untergräbt, erodiert das soziale Vertrauen und dadurch wird die Souveränität einer Nation gefährdet.“ Die wichtigste Empfehlung lautete, indirekt vorzugehen und sich die Meinungsmanipulationsmacht der IT-Konzerne und sozialen Medienunternehmen zunutze zu machen:

    „Unternehmen und der Privatsektor verstehen eventuell nicht von selbst die Rolle, die sie bei der Bekämpfung von Desinformation spielen, dabei ist ihre Rolle die wichtigste. Zumindest im Westen ist ihnen die zentrale Rolle zugefallen, weil die allgemeine Öffentlichkeit ihnen als Institutionen stärker vertraut [als den Regierungen N.H.]. (…) Zum Glück haben Veränderungen in der Politik der Social-Media-Plattformen wie Facebook bereits einen beträchtlichen Einfluss auf die Art und Qualität der verbreiteten Inhalte.

    Wie intensiv von Google, Youtube, Facebook und Co. Desinformation im Sinne der Militärs und Geheimdienste wegzensiert wird, hat Henry Mattheß auf díesem Blog 2020 ausführlich dargestellt. Wenn sie zum Beispiel Beiträge wie diesen auf Facebook weiterzuverbreiten versuchen, werden sie regelmäßig darauf hingewiesen, dass ihr Post von Facebook „heruntergestuft“ wurde, was bedeutet, dass ihn kaum jemand zu sehen bekommen wird. Bei den auf die Plattformen  ausgelagerten Zensuraktivitäten wird sehr deutlich, dass es nicht um die Richtigkeit der Aussagen geht, sondern um die Aussageabsicht, so wie der Atlantic Council und der Nato-Autor van der Linden das propagieren.

    In den Monaten vor der EU-Parlamentswahl hat Google in Zusammenarbeit mit van der Linden in fünf Ländern, darunter Deutschland, auf TikTok und YouTube Zeichentrickvideos mit Prebunking-Inhalten ausgespielt. Mit Fragebögen, die die Betrachter erhalten, hilft der US-Konzern den kognitiven Kriegsherren dabei, ihre Botschaften zu optimieren. Am Rande sei erwähnt, dass Sander van der Linden mehrmals von Wikipedia dabei erwischt wurde, dass er Beiträge, die ihn und sein Fachgebiet betreffen, mit einer Vielzahl von eigens dafür eingerichteten Accounts manipulierte, um seinen Ruhm zu mehren. Dafür wurde er von Wikipedia gesperrt.

    Es würde hier zu weit führen, all die Maßnahmen und Programme aufzuzählen, die EU und deutsche Bundesregierung seither im Sinne der Empfehlungen des Atlantic Council und der Nato umgesetzt haben.

    Erwähnt sei die verschachtelte Förderung von Faktencheckern und Hinweisgebern aus der „Zivilgesellschaft“. Besondere Nennung verdient auch der verunglückte Versuch von Innenministerin Faeser und Familienministerin Paus, per „Demokratiefördergesetz“ dauerhaft Geld an behördlich ausgewählte „zivilgesellschaftliche“ Organisationen zu geben, damit diese Oppositionsparteien und oppositionelle Medien bekämpfen. In einem besonders eklatanten Fall war das im Rahmen des Projekts „Gegneranalyse“ von der grün-transatlantischen Denkfabrik LibMod mit Unmengen Staatsgeld gegen das oft regierungskritische Nachrichtenmedium Nachdenkseiten durchexerziert worden.

    Seit 2021 bekämpfen unsere Regierenden, ganz im Sinne der Begründungen für die kognitive Kriegsführung, Kritik an ihnen, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt (auf Regierungslinie) gefährdet, als „verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates.“  Sie hetzen die Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern auf ihre Kritiker. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) will den Schlapphüten sogar per Gesetz das Recht geben, Bürger, gegen die sie in diesem Sinne ermitteln, in ihrem Umfeld anzuschwärzen und sozial zu vernichten.

    Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings erstaunlicherweise die militärisch-geostrategische Bedeutung des Kriegs um die Köpfe noch nicht realisiert. Es urteilte im April 2024, staatliche Einrichtungen hätten keinen Anspruch, vor scharfer Kritik abgeschirmt zu werden. Das Gewicht des für die freiheitlich-demokratische Ordnung grundlegenden Meinungsfreiheit sei höher zu veranschlagen, da es gerade aus dem besonderen Schutzbedürfnis der Machtkritik erwachse.

    Der Verfassungsschutz wird sich aber absehbar nicht um das Urteil scheren, das ihn nicht direkt betraf.Die Schule als Schlachtfeld

    Die Impfung gegen Botschaften von Regimekritikern geschieht am besten schon im zarten Alter, bevor die Zielpersonen Zeit hatten, Misstrauen auszubilden. Deshalb richten sich die Google-Prebunking-Videos auch an junge Menschen, die erst seit realtiv kurzer Zeit das (auf 16 Jahre gesenkte) Wahlalter erreicht haben. Noch besser funktioniert die Immunisierung aber bei noch jüngeren Menschen, die stärker beeinflussbar sind und in der Schule einem hohen Maß an Beeinflussung ausgesetzt sind.

    Wie der Schulleiter Johannes Mosmann in einem Gastbeitrag auf diesem Blog ausführlich beschrieben hat, geschieht das unter anderem mit von van der Linden und Mitstreitern entwickelten Prebunking-Spielen, die von der Bundeszentrale für politische Bildung und dem Bundesbildungsministerium übersetzt und gefördert werden.

    Diese aufwendig gestalteten Spiele sind nur die Spitze einer zunehmend systematisch betriebenen manipulativen Beeinflussung junger Gehirne. Im März 2022 forderte das EU-Parlament die Mitgliedstaaten auf, „Medienkompetenz und digitale Kompetenz“ von „der frühen Jugend bis hin zur Erwachsenenbildung in ihre Lehrpläne aufzunehmen.“ Eine „Expertengruppe zur Bekämpfung von Desinformation und zur Förderung der digitalen Kompetenz durch Bildung und Ausbildung“ wurde gebildet, die sich um die Ausbildung von Lehrern, Prebunking und Faktenüberprüfung kümmern sollte. Die Entschließung war inspiriert von Sander von der Linden, der seine Nato-Studie zu Prebunking dem zuständigen Parlamentsausschuss zuvor vorgestellt hatte.

    Ergebnis der Arbeit der Expertengruppe sind „Leitlinien für Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte zur Bekämpfung von Desinformation“, nach denen sich Lehrkräfte in der EU richten sollen. Die Prüfungsfragen mit denen die erreichte Medienkompetenz der Schüler bewertet werden soll, machen überdeutlich, was das Ziel des ganzen ist. Die Schüler sollen lernen, das offizielle Narrativ als wahr und abweichende Behauptungen (von Regierungskritikern) als falsch zu erkennen, gern auch als „Verschwörungstheorien“ zu entlarven. Sie sollen lernen, nur glaubwürdigen Quellen zu vertrauen, wobei glaubwürdig die Quellen sind, deren Aussagen im obigen Sinne wahr sind.Fazit: Militär und Geheimdienste sind immer dabei

    Wer vermutet, dass bei der grassierenden Zensur- und Gehirnwäsche stets im Hintergrund Militär und Geheimdienste mit am Werk sind, kann also auf vielfältige Beispiele verweisen. Zusammenfassend haben wir festgestellt, dass:

    • die Nachrichtenagenturen und Correctiv auf Basis eines von Militärs entwickelten Rahmenwerks und unter Aufsicht einer Vertreterin des US-Militärs regierungskritische Nachrichten und Analysen per Faktencheck diskreditieren und so die Berichterstattung der wichtigen Medien auf Linie halten,
    • die Vizechefin der österreichischen Medienaufsicht den militärisch-geheimdienstlichen Hintergrund von Regeln des Digital Services Act gegen „schädliche Inhalte“ bestätigt hat,
    • die FDP-Fraktion im Bundestag die Einrichtung eines Zentrums für hybride Kriegsführung fordert,
    • die Nato-Strategen fordern, dass die Regierungen mit kognitiver Kriegsführung und Prebunking gegen alles vorgehen, was das Vertrauen in die Regierungen beeinträchtigt und so den nationalen Zusammenhalt (auf Regierungslinie) schwächt,
    • Nato und Atlantic Council viele der Zensur- und Debunking-Maßnahmen gegen Regierungskritiker empfohlen haben, die in zeitlichem Zusammenhang mit den entsprechenden Publikationen eingeführt wurden, von Zensurgesetzen und Verhaltenskodizes der Plattformen bis zur staatlichen Untersützung von sogenannten Hinweisgebern und Faktencheckern,
    • Menschen aus dem Geheimdiensmilieu sich im Verborgenen mit einer schwarzen Liste darum kümmern, dass regierungskritische Netzseiten nur geringe Werbeeinnahmen erzielen können,
    • Nato und EU-Kommission gemeinsam ein Zentrum gegen hybride Bedrohungen, betreiben, das auch für kognitive Kriegsführung zuständig ist,
    • der EU-Rat kürzlich die Aufstellung und Entsendung zivil-militärischer Schneller hybrider Eingreifteams beschlossen hat,
    • Borussia Dortmund den Sponsoring-Vertrag mit Rheinmetall damit begründet, dass man eine Plattform sein möchte, um die „neue Normalität“ von Frieden durch Krieg zu propagieren,
    • Google in Zusammenarbeit mit Nato-nahen Wissenschaftlern vor Wahlen Zeichentrick-Videos ausspielt, um junge Wähler gegen die Botschaften von regimekritischen Politikern und Publizisten zu immunisieren,
    • unsere Schüler systematisch mit dem von Militärs entwickelten Konzept des Prebunking dazu gebracht werden sollen, nur den offiziellen Verlautbarungen der Regierung zu vertrauen und Regierungskritikern nicht zuzuhören.

    Diese Analyse hat Konsequenzen für die Beantwortung der Frage, warum in den letzten Jahren so viele Menschen so bereitwillig akzeptiert und sich oft auch daran beteiligt haben, elementare Grundrechte außer Kraft zu setzen und Mitmenschen, die das nicht hinnehmen wollten, zu diffamieren und auszugrenzen.

    Durch intensivste Propaganda wurde planmäßig Folgsamkeit mit der Systemfrage verknüpft und Kritik zu einer Bedrohung des Systems hochstilisiert. Die Folge: Wer im großen und ganzen das System gut findet und dessen Institutionen vertraut, müsste sich wegen der von oben betriebenen Zuspitzung des Konflikts selbst gegen das System stellen und sein gesamtes Weltbild ändern, wenn er sich mit den Kritikern solidarisieren wollte. Das funktionierte bei Corona, und es funktioniert noch besser im Streit um den richtigen Umgang mit dem Russland-Ukraine-Krieg.

    Die große und wichtige Frage ist: Warum wurde Corona zu einem Schlachtfeld der kognitiven Kriegsführung gemacht? Worin lag die militärisch-geostrategische Bedeutung der Corona-Maßnahmen?Mehr

    Wie die EU in Afrika Überwachung und Meinungsmanipulation voranbringt
    17. 10. 2022 | Die EU finanziert in Nigeria ein Projekt, bei dem mit Lauschern in den Dörfern und Journalisten, die zu Online-Scouts und Trollen ausgebildet werden, regierungskritische Meinungen aufgespürt und gekontert werden, zur Sicherung von Stabilität und Frieden.

    Vom Ende der Meinungsfreiheit in Europa
    10. 08. 2022 | Mit dem Digital Services Act und dem „Verhaltenskodex zur Bekämpfung von Desinformation“ schafft die EU eine ausgeklügelte Infrastruktur zur umfassenden Zensur von Informationen und Meinungen – ausgelagert an private Konzerne. Was Gastautor Johannes Mosmann durch Analyse dieser Dokumente kühl und sachlich an totalitärer Kontrollambition der Regierenden herausarbeitet, erinnert an dunkle, vordemokratische Zeiten.

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